Monique Ligtenberg

Curating Colonial Nature: Legacies of Empire in Swiss Natural History Collections, 1870s-1950s

Dieses Projekt beleuchtet die koloniale Vergangenheit der naturhistorischen Sammlungen und ihrer Sammler:innen an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETHZ), der grössten und international renommiertesten Bildungseinrichtung für Naturwissenschaften und Technik in der Schweiz. Während die Rolle von Pflanzen-, Tier- und Gesteinsexemplaren bei der kolonialen Eroberung und Ausbeutung in „traditionellen“ imperialen Metropolen wie Grossbritannien, Portugal oder den Niederlanden verstärkt in den Fokus der Geschichtsschreibung gerückt ist, wurde die Geschichte der Naturwissenschaft «made in Switzerland» – selbst nie eine formale Kolonialmacht – bisher kaum systematisch in ihrem globalen, historischen Kontext untersucht.  Übergeordnetes Ziel des Projekts ist es daher, den bisher unerforschten Zusammenhang zwischen dem Aufbau geologischer, botanischer, zoologischer, entomologischer oder pharmazeutischer Universitätssammlungen in der Schweiz und der imperialen Eroberung Asiens, Afrikas und Amerikas vom Zeitalter des „Hochimperialismus“ bis zu den Anfängen der Dekolonisation offenzulegen.

Erstens rekonstruiert das Projekt die verschiedenen institutionellen, interpersonellen und logistischen Netzwerke, die den Austausch von naturhistorischen Präparaten zwischen den Kolonien und der Schweiz ermöglichten. Dafür untersucht sie den Austausch von Objekten zwischen der ETH Zürich und kolonialen Forschungsinstitutionen während der Kolonialzeit, geht auf die kolonialen Sammelexpeditionen einzelner Forscher:innen ein und bewertet, wie der aufstrebende globale Markt für Pflanzen- und Tierexemplare das rasche Wachstum universitärer naturhistorischer Sammlungen, einschliesslich derjenigen an der ETH, ankurbelte.

Zweitens untersucht das Projekt, inwieweit einzelne Schweizer Botaniker:innen, Zoolog:innen, Entomolog:innen oder Geolog:innen von den Infrastrukturen und der asymmetrischen Herrschaft der europäischen Kolonialmächte profitierten, um ihre Forschungskarriere voranzutreiben und ihre wissenschaftlichen Interessen zu akzentuieren. Einerseits geht es um die Frage, wie koloniale Forschungsexpeditionen und der Erwerb von aus europäischer Sicht bisher unbekannten naturhistorischen Präparaten als wertvolles Mittel zur Behauptung wissenschaftlicher Autorität dienen konnten. Andererseits wird aufgezeigt, wie Schweizer Wissenschaftler:innen nicht nur von der Arbeit und dem Fachwissen der lokalen Bevölkerung in den Kolonien profitierten, sondern auch, wie indigene asiatische, afrikanische und amerikanische Expert:innen und Epistemologien die Schweizer Wahrnehmung der Natur prägten.

Damit verbunden liegt ein dritter Schwerpunkt des Projekts auf den Rückwirkungen der globalen Verstrickungen von Schweizer Naturforscher:innen auf die Konstruktion von Wissen über die kolonisierte Flora und Fauna, Menschen und Umwelten in der Schweiz selbst. Zu diesem Zweck wird untersucht, wie sich koloniale Expeditionen und Begegnungen in den akademischen Lehrplänen der ETH widerspiegelten, in welchen Kontexten naturhistorische Präparate aus den Kolonien in Lehre und Forschung einflossen und inwieweit koloniales Wissen durch populäre Publikationen oder öffentliche Vorträge an ein breiteres Schweizer Publikum weitergegeben wurde.

Im Einklang mit dem globalen Untersuchungsrahmen und der tagesaktuellen Relevanz des Projekts sind diverse Public-History-Aktivitäten und öffentlichkeitswirksame Vermittlungsformate geplant. Dazu gehört die Entwicklung neuer Lehrformate, Blogs und Podcasts in enger Zusammenarbeit mit der ETH-Abteilung Sammlungen und Archiven. Langfristig sollen die im Rahmen des Projekts gesammelten Daten über eine spezialisierte Datenbank, die in Zusammenarbeit mit NAHIMA - Natural Science Collections Online entwickelt wird, weltweit zugänglich gemacht werden, um die Herkunft der naturwissenschaftlichen Sammlungen der ETH aus dem kolonialen Kontext zu dokumentieren. Die Datenbank zielt darauf ab, eine globale Diskussion über die verschiedenen (und möglicherweise divergierenden) zeitgenössischen Bedeutungen, die naturwissenschaftlichen Sammlungen zugeschrieben werden, anzustossen sowie Strategien zur Überwindung bestehender Asymmetrien beim Zugang zu Pflanzen-, Tier- und Gesteinsexemplaren zu identifizieren.

 

Abgeschlossenes Projekt:

Vergrösserte Ansicht: officers-Aceh
A group of European medical officers pose in front of the fieldhospital in the Kraton (Sultan's Palace) of Kota Radja, Aceh, in 1874. (Image Source: Leiden University).

Medicine, Masculinities, and Colonial Knowledge: Transimperial Histories of German-speaking Physicians in the Dutch East Indies (c. 1873-1914)

German-speakers were the largest group of non-Dutch European physicians in the Dutch East Indies (today’s Indonesia) in the 19th century. More than 300 German, Swiss and Austro-Hungarian medical practitioners worked for the Dutch colonial health service in the 19th century, the majority of them joining the medical corps of the Dutch Colonial Army (KNIL), others serving in the comparatively small colonial civil health service. While some travelled ‘Far East’ out of unemployment or a desire for adventure, many were driven by scientific curiosity and contributed to a growing corpus of scientific literature on the colonized Malay Archipelago during or after their stay in the colony.

This PhD project investigates these historical entanglements between German-speaking Europe, the Netherlands and the Dutch East Indies in the late 19th and the early 20th century that so far have been overlooked by nation-centred narratives in historiography. Zooming in and out between micro-historical case studies and larger developments in the age of ‘high imperialism’, it will open up three fields of investigation: First, it will analyse the self-perception and identity formation of German-speaking physicians as male, non-Dutch, middle-class co-producers of medical, botanical, zoological, and anthropological knowledge with a special focus on the relation between imperialism, knowledge, and masculinity. Second, it will ask about the interaction between European and non-European actors, environments and knowledge cultures in processes of knowledge-making between germanophone Europe, the Netherlands, and the Dutch East Indies. Third, it will take a closer look at the transimperial networks that connected these spaces in order to further illuminate the ‘webbed’ character of colonial knowledge production and imperial culture that often transcended (trans-)national or intra-imperial boundaries.

Through the analysis of printed publications and archival sources from Swiss, German, Austrian, Dutch and Indonesian archives, the research project seeks to stress the hybrid and entangled nature of Dutch imperialism in the Malay Archipelago and the repercussions of these entanglements on a broader European ‘imperial world’. Thereby, it contributes to the up-and-coming strand of research in global history that understands colonialism not as a project of individual nation states, but rather as a product of both formal and informal networks, connecting the histories of colonial metropoles like the Netherlands, of nation states without formal colonies like Switzerland and of colonized Southeast Asia.