Harald Fischer-Tiné

Vergrösserte Ansicht: amca madras physical culture instructor harry buck indian students
Left: Y.M.C.A. Meeting in Madras (1990), Right: Physical Culture Instructor Harry C. Buck with the first Indian Students (1920)

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Muscling in on Asia: the Y.M.C.A. in India and Ceylon, c. 1890-1950

Dieses Forschungsvorhaben untersucht Fragen von Säkularisierung und sich wandelnden Formen organisierter Religion während der ersten Hochphase der Globalisierung im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert am Beispiel der Geschichte der Young Men's Christian Association auf dem indischen Subkontinent. Der Y.M.C.A. entwickelte sich bereits wenige Jahre nach ihrer Gründung in London im Jahr 1844 zu einer weltumspannenden Organisation. In Indien und Ceylon etablierte sich der Y.M.C.A. endgültig ab 1890 mit der Ankunft amerikanischer „secretaries“ und den vermehrten Zufluss von amerikanischem Kapital. In den 1910er Jahren war der US-amerikanisch dominierte „Y“ in Südasien sogar derart erfolgreich geworden, dass sich die britische Kolonialregierung in verschiedenen Bereichen um Zusammenarbeit bemühte. Gleichzeitig gründeten indigene religiöse Gruppen aus Furcht vor einer möglichen Welle von Massenkonversionen zum Christentum ihre eigenen ‚Raubkopien‘des „Y“. Organisationen wie die Young Man's Hindu Association, die Young Men's Buddhist Association, die Arya Kumar Sabha oder die Young Men's Indian Association ahmten das inhaltliche Angebot (die Bereitstellung von erschwinglichen Zimmern in urbanen Zentren, Sportanlagen, Spielplätzen, Scouting Gruppen, Bibliotheken etc.) sowie einen Gutteil der organisatorischen Elemente der Y.M.C.A. nach, integrierten diese aber in einen völlig anderen religiösen Referenzrahmen. Parallel dazu wuchs auch innerhalb des seit der Zwischenkriegszeit zunehmend von indischen ‚secretaries‘ geprägten christlichen Y.M.C.A. der Wunsch, das Image als „fremde“ Institution abzulegen und die Organisation stärker in der lokalen Gesellschaft zu verankern. Dies führte nicht zuletzt zu einer Abwendung von den kolonialen Obrigkeiten und einer Hinwendung zur indischen Nationalbewegung um Gandhi und Nehru.

Das Projekt untersucht sowohl ‚Amerikanisierungs‘- als auch Indigenisierungsprozesse anhand der drei erfolgreichsten Tätigkeitsbereiche der Y.M.C.A. in Südasien: a) Sport und Körperkultur, b) Bildung bzw. Transfer technischer Fertigkeiten und c) Philanthropie und Dorfentwicklung (rural reconstruction) Es wird argumentiert, dass der durchschlagende Erfolg der Y.M.C.A. in verschiedenen gesellschaftlichen Segmenten weniger den christlichen Inhalten als vielmehr der erbrachten Modernisierungsleistung in den oben erwähnten ‚säkularen‘ Bereichen zu verdanken ist. Der Missionseifer der christlichen Jugendverbindung richtete sich nach dem Ersten Weltkrieg immer weniger auf Bekehrung zum Christentum und immer stärker auf „conversions to modernity“ (Van derVeer). Die Organisation entwickelte sich in der Folge zunehmend zu einer neutralen Modernisierungsinstanz, die für verschiedene, oft widersprüchliche politische und soziale Agenden verwendbar war. Dieser Befund wirft einerseits ein neues Licht auf Ian Tyrrell’s These von Amerika’s christlich inspiriertem ‚moral empire‘. Gleichzeitig legt er insofern eine Neubewertung von Modernisierungsprozessen in kolonialen Kontexten nahe, als er internationale nicht-staatliche Akteure und Institutionen und nicht allein Kolonial­verwaltungen als Urheber weitreichender Transformationsprozesse in den in den beherrschten Gesellschaften in den Fokus rückt.

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